Im ersten Teil der Blogserie – weserholz auf dem Podium – haben wir über das Thema >> Urbane Produktion in einer Produktiven Stadt und die Planung neuer Mischgebiete in Bremen geschrieben. Im heutigen Beitrag dreht es sich um ein verändertes Mindset, das es für innovative Unternehmungen braucht.
Bei der Podiumsdiskussion der Arbeitnehmerkammer zum Thema „Produktive Stadt“1 wurden wir aus dem Publikum gefragt, welche Unterstützung wir zu Beginn unserer Unternehmung durch das Land Bremen erhalten haben. Wir möchten euch gerne an der Antwort teilhaben lassen.
Das Haus, das Verrückte macht und warum Bremen etwas in seinem Mindset verändern muss
Die ein oder andere kennt sicherlich die folgende Szene aus „Asterix erobert Rom“. Asterix und Obelix müssen im „Haus, das Verrückte macht“ den „Passierschein A38“ besorgen – eine „Formalität verwaltungstechnischer Art“.

Der Pförtner schickt die beiden zu Schalter 1: linker Korridor, letzte Tür rechts. Dort angekommen, gibt es keine Tür. Asterix versucht es mit der auf der gegenüberliegenden Seite. Im Zimmer lässt sich ein Beamter von einer Frau schaukeln. Empört, bei der Arbeit gestört zu werden, schickt er die beiden in den 6. Stock, zu einem Übersichtsplan, der ihnen bei der Suche nach Schalter 1 weiterhelfe… Ihr könnt euch sicherlich denken, wie die Szene weitergeht.
Will man eine Idee, die bisher keine Vorbilder kennt, in die Welt bringen, kann man sich im Politik- und Verwaltungsdschungel schnell wie Asterix und Obelix fühlen. Sobald es darum geht etwas anders zu machen als bisher, ist es schwer Verantwortliche und Komplizen zu finden, die einem Türen öffnen und einen zum „richtigen Schalter“ führen.
Wir platzierten uns mit weserholz als neuer Akteur in einem Qualifizierungssystem,
- das durch die Politik und Förderlogik des Bundes Menschen ohne feste Bleibeperspektive ausschließt
- das weitgehend von Jobcenter und der Agentur für Arbeit gesteuert wird
- das seit Jahren von großen Weiterbildungsträgern dominiert ist, die von der Agentur für Arbeit beauftragt werden Ausbildungsvorbereitungen durchzuführen
- das eine Ausbildungsvorbereitung im Realbetrieb bisher nur auf dem Papier kennt
- in dem die nach Landesrecht zuständige Stelle für die Berufsausbildung, das Bildungsressort, ihre Verantwortung und Überwachungspflicht an die Handwerks-, Handels- und Landwirtschaftskammer übertragen hat.
Sich als unbekannter Akteur, mit der Absicht ein andersgeartetes Qualifizierungskonzept zu realisieren, in dieses System zu begeben, ließ uns das ein oder andere Mal an Asterix und Obelix denken. Die größte Herausforderung war es eine Lösung zu finden für einen Widerspruch in dem wir steckten – laut Förderer galten unsere Trainees als Teilnehmer*innen die nicht vergütet werden und vor dem Mindestlohngesetz galt es, sie zu vergüten. Allein diesen Widerspruch herauszufinden, brachte uns in Kontakt mit mindestens acht Stellen.
Da wir uns nicht aufhalten lassen wollten, begannen wir mit unserem ersten Jahrgang und der Mindestlohnpflicht. Bis heute arbeiten wir noch daran, wieder aus den roten Zahlen zu kommen. Da ein weiterer Jahrgang für uns so nicht zu finanzieren gewesen wäre, arbeiteten wir weiter an einer Lösung. Ein Zusatz im Mindestlohngesetz stellte uns einen Ausweg in Aussicht:
Unser Passierschein A38 – die Formalität verwaltungstechnischer Art – war demnach die Anerkennung von weserholz als Ausbildungsvorbereitung. Dies konnten wir nur mit Unterstützung durch Behörden, Verwaltung, Politik und Kammern schaffen. Doch wer ist zuständig für was? Wer übernimmt Verantwortung uns den Ausweg zugänglich zu machen? Ich glaube ein Bild sagt mehr als tausend Worte!
In letzter Minute wurden wir von Seiten der Handelskammer in Zusammenschluss mit der Firma Karibu als Ausbildungsbetrieb (in Verbundausbildung) für den Beruf der Holzmechaniker*in anerkannt. Die Regularien, die für eine Ausbildungsvorbereitung vorliegen müssen, waren somit erfüllt und wir konnten mit dem 2. Jahrgang beginnen. Hätten wir dies nicht geschafft, hätten wir unsere Idee eines anderen Lern- und Arbeitskonzeptes aufgeben müssen. Wer sich noch nicht denken kann, wie sehr wir uns gefreut haben, spiele doch einfach das Video ab.
Schrei nach Innovation – nicht nur reden, sondern anpacken
Der Schrei nach Innovation ist groß und Bremen ringt um seine Position als Wirtschaftsstandort, der auch für junge Menschen attraktiv ist. Innovation kann Staub aufwirbeln, gegen den Strich gehen und braucht unter Umständen Zeit bis auch Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft sie als positiv sehen. Doch können wir nicht laut rufen, wenn wir uns selber nicht bewegen. Es geht nicht darum, Dinge per se einfacher zu machen oder alles Neue (finanziell) zu fördern. Das Mindset in Politik und Verwaltung ist es was sich ändern muss, hin zu einer Kultur des Ermöglichens. Alte Verhaltensmuster müssen gebrochen und Grauzonen genutzt werden um Neues zu erschließen.
Michael Rosenberger vom Referat für Stadt- und Regionalentwicklung der Stadt Wien berichtete auf der eingangs erwähnten Veranstaltung der Arbeitnehmerkammer davon, wie sich in Wien eine Kultur des Möglichmachens entwickelt hat.
Mit „Innovatives Wien 2020“ verfolgt die Stadt drei Innovationsziele, hier ein Auszug daraus:
- Wien als Stadt der Chancen
Wien schafft optimale Voraussetzungen, um das Innovationspotenzial in der Metropolregion zu entfalten - Innovative Stadtverwaltung
Wien bekennt sich zur Innovationsfreudigkeit der öffentlichen Hand und zur Rolle der Stadt als Gestalterin, Nachfragerin und Nutzerin von Innovationen - Wien als Ort der Begegnung
Wien schafft ein innovatives Milieu und setzt auf Kooperation und Offenheit.
Weitere Details zu geplanten Maßnahmen und deren Umsetzung, könnt ihr >> hier nachlesen.
Bremen kann sich von der Stadt Wien diesbezüglich einiges abgucken. Vor allem den Mut etwas anders zu machen und Innovation nicht nur zu fordern, sondern mithilfe eines veränderten Mindsets zu fördern.
Den Satz „Das haben wir doch noch nie so gemacht!“ sollten wir aus unserem Sprachgebrauch streichen und schon heute davon sprechen Neues zu wagen. Vor allem sollten wir es nicht beim Reden belassen. Daher widmen auch wir uns nun wieder unserem >> sozialunternehmerischen Tun.
Im nächsten und letzten Beitrag der Serie geht es schließlich um den >> Wert der Arbeit von Kulturschaffenden und unsere Vorstellung von Guter Arbeit.
>> Sie sind auf der Suche nach einer Speaker*in für eine Veranstaltung, eine Podiumsdiskussion oder Expertenrunde? Wir sind gespannt auf Anfragen zu Themen
• Social Entrepreneurship
• Co-Creation
• Migration & Teilhabe
>> Anfrage gleich hier per Mail
1 Von Podium zu Podium . . . worum es ging und wer mitmischte:
Nov. 2019
Auftaktveranstaltung der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa zum „GEP 2030“
• Kai Brüggemann, Industrie-Club Bremen
• Heinz Kierchhoff, team neusta GmbH
• Ralph Sandstedt, GVZ Entwicklungsgesellschaft und Sandstedt Feinkost Manufaktur
• Matthias Winter, Kreishandwerkerschaft Bremen und Tischlerei Winter
• Dr. Guido Spars, Bergische Universität Wuppertal
• Paula Eickmann, weserholz
Feb. 2020
Tach auch! Studierende der HfK im Gespräch mit Gesellschaft, Politik und Wirtschaft: Bremen als Standort für die professionelle Positionierung
• Saskia Behrens, Kalle Co-Werkstatt
• Robert Bücking, Bündnis 90 / Die Grünen
• Marielle Müller, Strategie- und Innovationsberaterin
• Kai Stührenberg, Pressestelle der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit, und Europa
• Christian Tipke, Sendefähig GmbH
• Anselm Stählin, weserholz
Feb. 2020
Abendveranstaltung „Die Produktive Stadt. Perspektiven für Arbeit und Wirtschaft“ der Arbeitnehmerkammer Bremen
• Kristina Vogt, Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa
• Michael Rosenberger, Referat Stadt- und Regionalentwicklung, Stadtentwicklung und Stadtplanung, Stadt Wien
• Guido Nischwitz, Institut Arbeit und Wirtschaft (iaw) der Universität Bremen
• Hans-Christian Busch, Wirtschafts- und Sozialgeographisches Institut der Universität zu Köln
• Paula Eickmann, weserholz
Beitrag von >> Paula Eickmann